Dienstag, 24.04.2017

Scheinselbständigkeit: BSG verbessert rechtliche Lage von IT-Freelancern und deren Auftraggebern erheblich

In einem richtungsweisenden Urteil (Az. B 12 R 7/15 R) hat das Bundessozialgericht (BSG) am 31.3.2017 die Honorarhöhe als wichtiges Indiz für Selbständigkeit eingeführt. Liegt der Stundensatz deutlich über der Vergütung fest Angestellter, ermöglicht er die Bildung von Eigenvorsorge. Damit spielt der Stundensatz in Verhandlungen mit Auftraggebern eine ganz neue Rolle: Höhere Stundensätze = mehr Rechtssicherheit.

Der durchschnittliche Stundensatz von IT-Freelancern beträgt gegenwärtig 84,00 Euro (Freelancer-Studie 2017) und liegt damit weit über den Einkommen von festangestellten IT-Experten, die je nach Tätigkeit und Tarifgebiet zwischen 30 und 45 Euro/Stunde verdienen.

Zusammen mit den Kommentaren des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales zu den seit 1. April geltenden neuen Arbeitsmarktgesetzen und dem Zirkusurteil des Bundesarbeitsgerichts sieht es für IT-Freelancer und ihre Kunden gar nicht mehr so schlecht aus. Der Begleitkommentar zu den neuen Arbeitsmarktgesetzen ist ein klares Bekenntnis des Gesetzgebers zum IT- und Projektgeschäft:

[...] Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen seien. Auch für solche Einsätze und für die Tätigkeit von Beratern sollen die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkleistungen auf der einen und Arbeitnehmerüberlassung auf der anderen Seite weiterhin zur Anwendung kommen. Dabei solle zum Beispiel eine für die Tätigkeit eines Beraters typische Bindung hinsichtlich des Arbeitsorts an eine Tätigkeit im Betrieb des beratenen Unternehmens allein regelmäßig keine persönliche Abhängigkeit gegenüber letzterem begründen (vgl. Bundesarbeitsgericht, 11.08.2015 -9 AZR 98/14) [...]

In dem vom Ausschuss zitiertem Zirkusurteil entschied das Bundesarbeitsgericht auf Selbständigkeit, obwohl eine Reihe von Kriterien erfüllt waren, die nach Ansicht der Rentenversicherungsprüfer klare Hinweise auf Scheinselbständigkeit sind.

Vor diesem Hintergrund rückt nun die Beurteilung des tatsächlichen Auftragsverhältnisses in den Mittelpunkt: IT-Freelancer dürfen nicht in die Organisation des Auftraggebers eingebunden und/oder weisungsgebunden eingesetzt werden. In Projekten der IT-Projektgenossenschaft wird das grundsätzlich vereinbart und gelebt.

Wichtig ist, dass das auch von der Auftraggeberseite so wahrgenommen wird und deren Verbände ihre Mitgliedsunternehmen entsprechend informieren. Inbesondere der Verband der Automobilindustrie (VDA) ist hier gefordert.

Vorsicht ist trotzdem weiter angebracht, denn es dauert sicherlich noch lange, bis die DRV ihre Prüfungspraxis an die neue Rechtslage anpasst und sich auf die Fälle von tatsächlichem Missbrauch von Werk- oder Dienstverträgen konzentriert. Denn es gibt - das sollten wir IT-Freelancer nicht vergessen - nach wie vor hundertausende Solo-Selbständige in Branchen, in denen der Stundensatz kleiner/gleich dem Mindestlohn ist.

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